FAQ: Müssen Füchse gejagt werden?
5.3 Fuchsjagd: „Müssen“ Füchse gejagt werden?
5.3.1 Oft wird behauptet, es gäbe „zu viele“ Füchse. Stimmt das?
5.3.2 Ist Fuchsjagd dazu geeignet, Wildtierkrankheiten wie die Tollwut einzudämmen?
Lange Zeit versuchte man in Europa, der Ausbreitung der Tollwut durch die radikale Verfolgung von Füchsen, die als
Hauptüberträger dieser Seuche gelten, Herr zu werden. Es gelang jedoch weder, den Rotfuchs großflächig zu dezimieren,
noch die Tollwut unter Kontrolle zu bekommen – im Gegenteil, vielerorts stieg die Ausbreitungsgeschwindigkeit der
Krankheit sogar noch an.
Je mehr Füchse jedes Jahr umkommen – beispielsweise durch die Jagd -, desto mehr werden geboren (siehe
2.4.2 Könne Füchse überhand nehmen/gibt es "zu viele" Füchse?),
und desto mehr Jungfüchse gibt es, die sich im Herbst ein eigenes Revier suchen müssen. Gerade diese Jungfüchse sind
es aber, die auf ihren langen herbstlichen Wanderungen zur Verbreitung von Krankheiten beitragen: Sie begegnen weit
mehr Artgenossen als territoriale, also seßhafte Füchse, und laufen Gefahr, sich bei Revierkämpfen mit der Tollwut oder
anderen Wildtierkrankheiten zu inifizieren oder diese weiterzugeben.
Fuchsjagd trägt also zur Ausbreitung der Tollwut bei, nicht zu ihrer Eindämmung. Erst als man in den 1980er-Jahren
begann, Füchse mit aus Flugzeugen abgeworfenen Impfködern großflächig gegen die Tollwut zu immunisieren, wurde die
Tollwut besiegt. Im Jahr 2008 erklärte die Internationale Gesellschaft für Tiergesundheit (OIF) Deutschland für
tollwutfrei.
Literatur:
König, A., Romig, T. (2007): Bericht an die Gemeinden des Landkreises Starnberg sowie die Gemeinden Neuried und Planegg über das Projekt Kleiner Fuchsbandwurm im Bereich der Gemeinden im LK Starnberg sowie den Gemeinden Neuried und Planegg im LK München.
Hegglin, D., Ward, P.I., Deplazes, P. (2003): Anthelmintic baiting of foxes against urban contamination with Echinococcus multilocularis. Emerging Infectious Diseases, 10.
Kaphegyi, T. (2002): Untersuchungen zum Sozialverhalten des Rotfuchses (Vulpes vulpes L.), Dissertation, Forstwissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg, Freiburg im Breisgau
Debbie, J. (1991): Rabies control of terrestrial wildlife by population reduction. In: Baer, G.M. (Ed.), The natural History of Rabies. CRC Press, Boca Raton.
5.3.3 Ist Fuchsjagd ein geeignetes Mittel, um bedrohten Vogel- und Säugetierarten zu helfen?
Feldhase (Bild: Marko Kivelä)
In nahezu allen Fällen ist die Antwort auf diese Frage ein klares Nein. In seinem natürlichen Verbreitungsgebiet sind
Füchse nie die Ursache der Gefährdung einer Tierart; diese ist vielmehr in der zunehmenden Zerstörung des
Lebensraumes, der Deckung und des Nahrungsangebots vieler Wildtiere zu sehen. Biologen sind sich weitgehend darin
einig, dass die einzige dauerhaft wirksame Maßnahme, um den Fortbestand dieser bedrohten Arten zu sichern, die
Rücknahme der Gefährdungsursache selbst ist. Es wäre also angebracht, die Flinte zur Seite zu legen und stattdessen
Hecken zu pflanzen, Ausgleich für zerstörte Biotope zu schaffen und die Lebensgrundlagen der gefährdeten Tiere
wiederherzustellen.
Verfechter der Fuchsbejagung legen gerne die Abschusszahlen beim Fuchs mit denen von Rebhuhn oder Feldhase übereinander
und versuchen so zu "beweisen", dass der Fuchs für den Rückgang von Hase und Rebhuhn verantwortlich ist. Die Fuchsstrecke
ist nämlich seit 1990 gestiegen, die Hasen- und Rebhuhnstrecken dagegen gesunken. Ebenso könnte man aber den Vergleich von
der Geburtenrate beim Menschen und der Häufigkeit des Klapperstorchs heranziehen, um zu "beweisen", dass der Storch
die Babies bringt - auch hier gibt es nämlich einen ausgeprägten statistischen Zusammenhang. Davon abgesehen, setzte etwa
in den Niederlanden und Belgien ein starker Rückgang der Rebhuhnbestände schon in den 1950er Jahren ein, während die
Fuchspopulation dort erst im Laufe der 1960er Jahre (Niederlande) bzw. in den 1980er Jahren (Belgien) anwuchs. In Deutschland
begann der Niedergang des Rebhuhns bereits in den 1930er Jahren und jener des Feldhasen Mitte der 1970er Jahre; eine Zunahme
der Fuchsbestände wurde aber erst ab etwa 1990 verzeichnet.
Selbst im Extremfall einer räumlich abgegrenzten Population bedrohter bodenbrütender Vogelarten macht es aus der Perspektive
des Artenschutzes zumeist keinen Sinn, Füchse zu erschießen. Die Verhaltensweisen, das Jagdverhalten und die bevorzugten Aufenthaltsorte des
territorialen Fuchses (=des Revierinhabers) sind den Vögeln bekannt; sie können den Räuber also einschätzen. Außerdem
hält der Revierinhaber Konkurrenten fern, indem er reviersuchende Füchse (und auch andere Beutegreifer) konsequent aus
seinem Revier verjagt. Wird dieser territoriale Fuchs jetzt aber getötet, entsteht ein Vakuum, das eine regelrechte
Sogwirkung auf herumstreunende Füchse aus dem Umland hat. Die Anzahl der Füchse, mit der die bedrohten Vögel
konfrontiert sind, steigt also kurzfristig sogar an, und mehr noch: Die Gewohnheiten dieser Füchse sind ihnen
unbekannt. Damit kann paradoxerweise die Gefahr, einem Fuchs zum Opfer zu fallen, sogar anwachsen.
Zahlreiche Forschungsprojekte zu diesem Thema zeigen daher, dass selbst derart radikale Maßnahmen in der Praxis weit weniger
gut als erhofft funktionieren. Eine Analyse der renommierten britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB),
die eine große Anzahl wissenschaftlicher Studien über den Einfluss von Beutegreifern auf bedrohte Vogelarten zusammenfasst,
kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: In drei Vierteln der Untersuchungen hatte das Töten ihrer natürlichen Feinde keinerlei
positive Auswirkungen auf den Bestand der Beutetiere. Oft gelingt es nämlich trotz massivster Dezimierungsversuche selbst auf
vergleichsweise kleinen Arealen nicht, die Fuchsdichte tatsächlich zu reduzieren. Und sogar dort, wo intensive Bejagung den
Fuchsbestand dezimiert, ist in vielen Fällen kein positiver Einfluss auf die Entwicklung der Beuteart zu verzeichnen.
Dass die großflächige Reduktion von Füchsen mit jagdlichen Mitteln unmöglich ist, wurde vielfach zweifelsfrei belegt.
Nur in sehr deckungsarmen Gebieten, wo mittels extremer Fuchsbekämpfung unter Einsatz von Berufsjägern überhaupt eine drastische
örtliche Dezimierung von Füchsen - und natürlich allen anderen relevanten Beutegreifern - erreicht werden kann, lässt sich überhaupt eine
Konstellation konstruieren, in der Restpopulationen einer Beuteart durch Fuchsverfolgung geholfen werden kann. Ob
jedoch der gewaltsame Tod Hunderter oder Tausender Füchse, Marder, Krähen und Greifvögel pro Jahr zur Verlängerung des
Überlebens einer wenige Dutzend Tiere zählenden Vogelpopulation ethisch rechtfertigbar ist, steht auf
einem ganz anderen Blatt. Und ob die dazu eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen nicht weitaus besser
und effektiver in Maßnahmen zur Restrukturierung des Lebensraums der bedrohten Art und demnach zur dauerhaften,
nachhaltigen Sicherung ihres Überlebens eingesetzt werden könnten, ebenfalls.
Literatur:
Heidemann, G. (2002): Notwendig? Zeitgemäß? Mit Fallen? Jagd auf Raubsäuger in Schleswig-Holstein. Betrifft: Natur 4, 8-10.
W. Teunissen, H. Schekkerman, F. Willems (2006): Predatie bij weidevogels. Opzoek naar de mogelijke effecten van predatie op de weidevogelstand.
Mayr, C. (2003): Der lange Weg zur Novelle des Jagdrechts. Berichte zum Vogelschutz 40, 75-79.
Kornder, W. (2001): Ökologischer Jagdverein gegen sinnlose Fuchsbekämpfung. Ökojagd 3.
5.3.4 Was wären die Konsequenzen, wenn man die Fuchsjagd abschaffen würde?
Wie man an den Beispielen jagdfreier Gebiete erkennen kann, wären weder aus ökonomischer, Arten- oder Tierschutzsicht
negative Konsequenzen zu erwarten. Die Populationsdichte der Füchse würde sich auf einem Maß stabilisieren, dass im wesentlich den aktuellen
Gegebenheiten entspräche; das Gefährdungspotential für Beutetiere würde damit keinesfalls zunehmen. Würde man zeitgleich
die Bejagung derzeit noch verfolgter Beutearten - etwa des Feldhasen - einstellen, stünde sogar eine positive
Bestandsentwicklung der betreffenden Tiere zu erwarten.
Für die Füchse selbst würde ein Jagdverbot bedeuten, dass sich wieder stabilere Familien- und Paarbindungen etablieren
könnten; die mittlere Lebensdauer der Füchse würde zunehmen, während individueller Stress, Geburten- und Sterberaten
sänken. Vermutlich würde überdies die Stabilität der Fuchsreviere zunehmen.
Uneinheitlich wären die Folgen für den Menschen: Viele würden sich daran erfreuen, Füchse leichter beobachten zu
können; andere müßten hinnehmen, dass es keine neuen Fuchsfelle mehr zu kaufen gäbe, und manche müssten auf ihre Freude
an der Fuchsjagd verzichten. In England wird im Hinblick auf die „traditionelle Fuchsjagd“ mit Pferden und
Hundemeuten zudem oft argumentiert, dass viele Arbeitsplätze von der Jagd abhängig seien - für die in Deutschland,
Österreich und der Schweiz praktizierte Form der Fuchsjagd gilt dies jedoch mit Sicherheit nicht. Die Produktion
etwa von Totschlagfallen oder Munition und Gewehren spezifisch für die Bejagung von Meister Reineke stellt hierzulande keinen
erwähnenswerten Wirtschaftsfaktor dar.
Jäger beim sogenannten "Streckelegen"
getöteter Füchse (Bild: Fam. Pelli)
Ergebnis einer "Fuchswoche":
Erschossene Füchse in einem Anhänger
(Bild: Fam. Pelli)